M. Marti: Das Astrolabium am Zeitglockenturm in Bern.

Cover
Titel
Das Astrolabium am Zeitglockenturm in Bern.. Die Neuentdeckung eines Kulturgutes von europäischer Bedeutung


Autor(en)
Marti, Markus
Erschienen
Bern 2017: Stämpfli Verlag
Anzahl Seiten
104 S.
von
Walter Gfeller

Es waren zwei Neuentdeckungen, eine mechanische bei der Renovation des Uhrwerks und eine geistige bei der Restaurierung des Astrolabiums am Zytglogge, die Markus Marti nach intensiven Studien über Astrolabien zum Schluss führten, dass dem Berner Astrolabium eine Bedeutung von europäischem Rang zukomme. Niemand hat das vor dem umtriebigen «Zytrichter» so klar erfasst und entsprechend dokumentiert, und daher erlangt auch das Ergebnis seiner Recherchen eine wissenschaftliche Bedeutung.

Markus Marti gliedert sein Astrolabium in zwölf Kapitel, angefangen mit geschichtlichen Beiträgen, darunter den Quellenhinweisen. Der Hauptteil handelt vom Astrolabium als Messinstrument, von der stereografischen Projektion und deren Anwendung in der Astronomie sowie vom technischen Bereich. Darin enthalten sind auch die Beschreibung des äusseren, für alle sichtbaren Aufbaus sowie des Getriebes. Von diesem abgeleitet sind die «Planetengötter und Wochentage», die Anzeigen am Astrolabium im Detail und die Umlaufwerte im Vergleich mit der Natur. Auf einzelne Themen sei im Folgenden eingegangen; man erwarte jedoch keine «Zusammenfassung» im herkömmlichen Sinn. Dazu ist das reich illustrierte Werk zu komplex.

Die Erklärung, was ein Astrolabium ist, verknüpft der Autor geschickt mit der Geschichte der Zeitmessung, die nicht etwa der heutigen, nämlich der Einteilung des Tages in Stunden, entsprach, sondern derjenigen der Astronomen, die «mit Modellen die Schöpfung des Universums nachzubilden» versuchten. Eine «Stunde» im Sommer dauerte demnach länger als eine solche im Winter. Die Erde stand im Mittelpunkt, und um sie kreisten Sonne, Mond, Planeten und Fixsterne. Die Bewegungen der Himmelskörper in einem Modell nachzubilden, war eine unglaubliche geistige Leistung über Generationen mit immer besser werdenden rfahrungswerten, bis es Archimedes (287 – 212 v. Chr.) als vermutlich Erstem gelang, «mittels eines Räderwerks aus verschiedenen Zahnrädern seine Himmelsgloben möglichst genau nach den Gesetzen der Gestirne in Bewegung zu setzen». Dass die Räder und Ringe in genau angepassten Radien mit je einer bestimmten Anzahl Zähne angefertigt sind, sei hier am Rande vermerkt. Das Astrolabium ist also ein scheibenförmiges, astronomisches Instrument, mit dem der sich drehende Himmel nachgebildet werden kann. Auf einer festen Scheibe, dem Tympanon, sind der Horizont und die Kreise des horizontalen Koordinatensystems abgebildet. Darüber liegt die sogenannte Rete, eine drehbare Scheibe oder ein Ring mit dem Tierkreis.

Eine exakte Messung erforderte einen absolut regelmässigen Antrieb für die Räder, die kontrolliert langsam laufen müssen. Zu Beginn des 14. Jahrhunderts wurde die sogenannte mechanische Hemmung erfunden, die mit Pendel und Gewichtsteinen eine solche Messung ermöglichte. So kam bei den späteren astronomischen Monumentaluhren die «Darstellung der Gestirne und ihrer kosmischen Bewegungen auf einem Zifferblatt [...] einem mechanischen, ewigen Kalender gleich, der [...] die wahren kalendarischen Indikationen anzeigte».

Recht akribisch zeichnet der Verfasser die geometrischen Grundlagen auf, die zur Gestaltung eines Astrolabiums erforderlich sind. Es handelt sich dabei um die sogenannte stereometrische Projektion, die Abbildung einer Kugelfläche, deren Projektionszentrum auf der Kugeloberfläche steht. Im Fall des Berner Astrolabiums ist es der Nordpol im Winkel zur Bildebene. Diese liegt auf der Höhe des Äquators, der perspektivisch als ein «Ring» dargestellt ist. Weitere «Ringe» sind der nördliche und der südliche Wendekreis. Die ganze Erklärung, aber auch die Würdigung des Astrolabiums, beruht auf der präzisen Beschreibung dieser Projektion, untermalt mit exakten Konstruktionen. Auf dieser Grundlage kann der Autor nun die Bewegungen des Astrolabiums in der nötigen Detaildichte darstellen. Mit dem Vergleich des Berner Astrolabiums mit den bekannten Monumentaluhren in Europa, etwa mit denjenigen von Prag und Strassburg, gelingt Markus Marti das, was schon lange fällig ist: die Würdigung des Astrolabiums am Zytglogge als eines Kulturguts von europäischer Bedeutung!

Zitierweise:
Walter Gfeller: Rezension zu: Marti, Markus: Das Astrolabium am Zeitglockenturm in Bern. Die Neuentdeckung eines Kulturgutes von europäischer Bedeutung. Bern: Stämpfli 2017. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 80 Nr. 4, 2018, S. 78-79.

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Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 80 Nr. 4, 2018, S. 78-79.

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